Digitaler Change: Abgehängt und rausgeschmissen – so bitte nicht!
Nicht jeder ist ein sogenannter Digital Native und hat das „Digitale“ mit der Muttermilch aufgesogen. Im Gegenteil. Viele Mitarbeiter sind noch nicht im digitalen Arbeitsalltag angekommen und fühlen sich überrollt von den neuen Anforderungen. Grund dafür: schlechtes oder gar kein Change Management. Lesen Sie hier das Praxisbeispiel von Hannelore.
Hannelore hat vor zwanzig Jahren ihre kaufmännische Ausbildung beendet. Seitdem arbeitet sie 30 Stunden pro Woche bei einer Versicherung. Ihr gefällt vor allem die Arbeit im Team. Doch mit dem neuen Chef Herr Wichterich und seiner „virtuellen Führung“, wurde alles anders. Das regt nicht nur Hannelore auf. Ein Praxisbeispiel, wie Digitaler Change oder besser gesagt Change Management nicht laufen sollte und Tipps, wie es besser geht.
Früher war alles anders
Für Hannelore ist das Büro nicht nur Arbeitsplatz, sondern auch der Ort für Begegnung. Man kennt sich, hat zum Teil die Ausbildung gemeinsam absolviert und hält zusammen. Neben dem fachlichen Austausch gib es auch gute persönliche Gespräche. Nicht nur zu den Kollegen hat Hannelore einen guten Draht. Auch zu ihrem Abteilungsleiter – Herr Kemmer.
Change: Verlust alter Beziehungen
Kemmer ist immer für sie da und ist mit seiner ruhigen Art der Fels in der Brandung. Selbständiges Arbeiten ist für Hannelore kein Problem, aber sie schätzt es, dass Herr Kemmer die Arbeit vorstrukturiert und die Aufgaben gerecht verteilt. Das vermeidet Streit und Hannelore erledigt effizient die ihr zugewiesenen To Do‘s.
Dann kam der Change: Seit sechs Monaten ist alles anders. Herr Kemmer ist im Ruhestand. Die Abteilung wird nun von einem Herr Wichterich geleitet. Niemand kennt ihn. Er sitzt in der 300 Kilometer entfernten Zentrale und führt seine Teams „virtuell“.
Virtuelle Führung – was ist das?
Was das genau heißen soll, ist Hannelore und ihren Teamkollegen nicht klar. Eins weiß sie aber: Wichterich ist nie da, wenn man ihn braucht. Er kommt alle vier Wochen vorbei, spricht über die neue digitale Welt und das alle sich ändern müssen. Oder er droht: „wer nicht mit zieht, könne sich ja was anderes suchen“. Und dann will über sein Lieblingsthema sprechen – die digitale Strategie. Als ob das irgend jemanden interessieren würde, denkt Hannelore. Er soll sich lieber um die konkreten Probleme kümmern und ans Telefon gehen, wenn man ihn anruft.
Schlechtes Change Management: Ängste und Vorbehalte
Letzte Woche hat Herr Wichterich auch noch angekündigt, dass er statt Telefon per Web-Konferenz kommunizieren will. Jemand hat Hannelore erzählt, dass Kameras an den Computern angebracht werden. Werden sie dann alle überwacht? Was soll daran besser sein, als zu telefonieren? Hannelore ist verzweifelt. Alles was ihr an ihrem Job gefallen hat, hat sich verändert. Auch die Stimmung im Team wird mit voranschreitendem Change schlechter.
So wie Hannelore geht es vielen in der modernen Arbeitswelt. Die Ursache ist ein schlechtes Change Management. Im Unternehmen wurden alte Strukturen aufgelöst, ohne die Mitarbeiter einzubeziehen. Mit dem Weggang des alten Abteilungsleiters wurde die klassische Form der Führung „über Nacht“ in das Modell der „virtuellen Führung“ überführt. Ohne Einstimmung, Erklärung und Vorbereitung der Mitarbeiter. Die Folge: Das Team versteht die Hintergründe, den Sinn und den Nutzen nicht. Das führt zu Ängsten und Widerständen.
Wer wissen will, wie ein gute Digital Leader heute führt, der liest unsere Story von Jan, den wir in seinem digitalen Führungsalltag eine Woche lang begleitet haben. Lesen Sie hier Teil 1.
Change Management: 5 Aufgaben für Führungskräfte
Doch noch ist nicht alle verloren! Was muss Herr Wichterich tun? Wie wird er zum Digital Leader?
- Der Reset
Der Einstieg in die neue Organisation ist nicht gelungen. Da hilft nur eins: „Gehe zurück auf Los.“ Herr Wichterich sollte von vorne anfangen und dieses Mal alle Teammitglieder gründlich über die zukünftige Zusammenarbeit und die damit verbundenen Ziele informieren. - Teamworkshop: Das Kick Off
Das gelingt am besten mit einem sorgfältig geplanten und moderierten Teamworkshop. Da bereits leichte Spannungen aufgetreten sind, kann es sein, dass die Teilnehmer nur zögerlich mitmachen oder sogar Konflikte ausgetragen werden. Hier hilft eine professionelle Moderation, die die Spielregeln für die zukünftige Kommunikation und Zusammenarbeit gemeinsam mit dem Team aufstellt. - Vertrauen aufbauen
Der Workshop sollte dafür genutzt werden, sich persönlich kennenzulernen. Herr Wichterich muss wissen, wie die Menschen in seinem Team ticken, wie sie bislang gearbeitet haben, welche Sorgen und Nöte sie haben. Umso besser kann er sie führen. Gleichzeitig muss er lernen, ihnen zu vertrauen und sie Entscheidungen treffen zu lassen. - Führen auf Distanz lernen
Herr Wichterich sollte wissen, wie man ein Team auf Distanz führt und die dafür nötigen Kompetenzen trainieren. Virtuelle Teams brauchen einen strukturierten, vertrauensvollen Führungsstil. Auch wird er seine virtuellen Kommunikationskompetenzen auffrischen. - Technische Ausstattung -digital Tools
Dem Team müssen die nötigen technischen Tools für die virtuelle Zusammenarbeit zur Verfügung gestellt werden. Ohne funktionierende Technik und durchgängige Nutzung der Kommunikationsmedien funktioniert virtuelle Führung nicht.
Sie wollen mehr Infos zum Thema Digital Leadership und immer auf dem Laufenden bleiben. In den IPA Institutsbriefen, z.B. Digitale Strategien gibt es mehr hier mehr Infos. Oder schreiben Sie uns.
Change Management: 3 Aufgaben für Mitarbeiter im Transformationsprozess
Achtung: Ein gelingender Change ist nicht nur Aufgabe der Führungskraft. Auch Hannelore und ihre Kollegen müssen sich bewegen. In diesen Punkten können Mitarbeiter zu einem Erfolg beitragen:
- Neue Freiheiten nutzen, mutiger werden
Hannelore hat in der Vergangenheit gezeigt, dass sie selbständig arbeiten kann. In ihrem neuen Arbeitsumfeld hat sie die Chance, das noch deutlicher zu zeigen. Sie darf Entscheidungen treffen, die bislang nur der Chef getroffen hat. Hierdurch kann sie Kunden schneller und umfassender betreuen. Hannelore muss aber lernen, sich das zuzutrauen. - Offenheit für neue Arbeitsmethoden und Technologien
In Zukunft werden alle Jobs stärker digital geprägt sein. Das heißt, Hannelore sollte sich auch selber weiterbilden und Technologie nicht als Bedrohung sehen, sondern als Eintrittstor für die Zukunft. Dabei reicht es oft schon, sich einen Überblick über digitale Trends zu verschaffen, zum Beispiel durch Erklärvideos, die man sich auf YouTube anschauen kann. Über Social Media, die Datenschutzgrundverordnung oder über Künstliche Intelligenz. Aber auch Fernakademien, IHKs, Berufsverbände und das eigene Unternehmen bieten Fortbildungen an. - Umdenken
Je mehr Hannelore die digitale Kommunikation nutzt, umso mehr wird sie feststellen, dass auch virtuelle Netzwerke ihren Vorteil haben. Die Möglichkeit, über den eigenen Standort hinweg zu kommunizieren, an Besprechungen in der Zentrale via Webkonferenz teilzunehmen – das ist eine tolle Sache. So kann sie unternehmensweit ihren Standpunkt vertreten, ihre Ideen einbringen und mit ihrem neuen Chef im virtuellen Raum chatten. Ein guter Chef muss nicht zwangsläufig im gleichen Büro oder Gebäude sitzen, wenn er mit klaren Zielen und guter Kommunikation führt, ist es egal, wo er seinen Schreibtisch hat.
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