Sandwich-Manager im agilen Netzwerk – was bleibt übrig von der Macht?

Sandwich-Manager haben keinen leichten Job – die Firmen wandeln sich, das Top-Management fordert neue Arbeitswelten. Alles soll digitaler, agiler und vernetzter werden. Richten soll‘s die mittlere Führungsebene. Das sorgt oft für Bedenken, Widerstände und „Bei-uns-nicht-Argumente“. Aber Hand aufs Herz: Diese sind nicht immer fachlich bedingt, richtig? Sie gründen auch auf existentiellen Sorgen: Die Angst der Sandwich- Manager ist groß, dass sie innerhalb der neuen Netzwerkstrukturen ihre Rolle komplett überdenken müssen oder sogar überflüssig werden.

Schnelle Entscheidungswege und flache Hierarchien sind ein Muss

Künftig arbeiten und kommunizieren agile Teams zunehmend autonom miteinander und besprechen neue Ideen oder bestehende Herausforderungen direkt mit ihren Kunden oder mit den Chefs der höchsten Etage. Welche Aufgabe bleibt da noch für den Sandwich-Manager bzw. die mittlere Führungs- bzw. Leitungsebene? Die Frage ist nicht ganz unberechtigt.

Sickerten Ideen und Informationen von Mitarbeitern doch bislang immer durch den Filter der Sandwich-Manager. Sie hatten die Entscheidungsgewalt darüber, wie ausführlich sie diese nach oben transportieren und ob überhaupt. So mancher innovative Ansatz von Mitarbeitern hatte es in der Vergangenheit dadurch allerdings schwer, das Nadelöhr des Vorgesetzen oder der Fachabteilung zu passieren.

Manchmal auch deshalb, weil eine Idee so gut war, dass sich der Abteilungs- oder Teamleiter in seiner Position bedroht fühlte. Indem er den Mantel des Schweigens darüber ausbreitete, verhinderte er einen Karriereaufstieg des betreffenden Kollegen. Wie viele Innovationspotenziale mögen in den letzten Jahrzehnten so auf der Strecke geblieben sein?

Gestiegener Wettbewerbsdruck – alle müssen mehr mitdenken

Das können sich Unternehmen heute nicht mehr leisten. Viele Organisationen haben erkannt, dass sie ihre Mitarbeiter stärker am Wertschöpfungs- und Innovationsprozess teilhaben lassen müssen. Denn die Zeiten, in denen es ausreichte, dass nur der Kopf der Organisation denkt und die Richtung vorgibt, sind vorbei. Der Wettbewerbsdruck ist in allen Märkten immens gewachsen. Dem haben Unternehmen nur etwas entgegensetzen, wenn sie Innovation auf Innovation liefern. Und dafür müssen alle ihre grauen Zellen anstrengen und die Ideen von ganz unten müssen auch ganz oben ankommen.

In der Konsequenz müssen Mitarbeiter ihre Stimme direkter und schneller erheben können als bisher. Am besten, indem sie sich auf Augenhöhe untereinander und direkt austauschen. Immer häufiger kommen dazu beispielsweise Social Corporate Networks zum Einsatz. Eine Art Facebook für Firmen – mit dem Unterschied, dass die für das Business-Umfeld programmierten Tools absolut datenschutzkonform sind.


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Soziales Netzwerken in Unternehmen: So geht‘s

Die digitalen Netzwerke eignen sich perfekt dazu, dass sich verschiedene Unternehmens-Ebenen und Mitarbeiterteams direkt austauschen können. Jederzeit. Und an jedem Ort. Schnell und einfach per App auf dem Firmenhandy. Das Prinzip: In einem Nachrichtenstream tauschen alle Mitarbeiter mit allen anderen Ideen, Gedanken und Neuigkeiten aus.

Soll es privater zugehen, bietet sich die Chatroom-Funktion ein. Hier kann man in kleineren Gruppen oder zu zweit Gedanken nachhängen. Der Effekt: Alle im Unternehmen sind über sämtliche Unternehmensstandorte hinweg miteinander vernetzt und Ideen kursieren von unten nach oben, von oben nach unten und kreuz und quer.

Sandwich-Manager fürchten: Kommt es zu Anarchie und Kontrollverlust?

Für viele Sandwich-Manager sind solche Szenarien natürlich furchterregend. Sie fragen sich: „Macht die digitale Vernetzung einen nicht unerheblichen Teil meiner Rolle überflüssig?“ Deuten die aktuellen Entwicklungen nicht unweigerlich auf das Abgeben von Macht, Verantwortung, Einfluss und den Verlust von Statussymbolen hin? Zugunsten sich selbstorganisierender Teams.

Doch die Bedenken der betroffenen Führungskräfte gehen natürlich auch über das eigene Ego hinaus. Kommt es bald zu Anarchie und Chaos, wenn die alte Ordnung wegbricht? Kann das Managen ohne Manager funktionieren? Das fragen sich vor allem die Sandwich-Manager der alten Schule. Zu allem Überfluss müssen sie auch noch tatenlos dabei zusehen, wie sich das Schwarmprinzip sozialer Netzwerke nach und nach auch in den Führungsstrukturen agiler Unternehmen manifestiert. Das lässt die Ängste nicht kleiner werden.

Best-Practice: Work like a Spotify Soziales Netzwerken im Alltag

Nehmen wir etwa den Streamingdienstleister Spotify. Das klassische „Du-da-unten-ich-hier-oben-Denken“ sucht man hier vergebens. Stattdessen arbeiten bei Spotify autonome Teams, sogenannte „Squads”, miteinander. „Diese crossfunktional besetzten Teams (…) haben end-to-end Verantwortung für einen ausgewählten Bereich oder ein Feature“, wie auf digitaleneuordnung nachzulesen ist.

Weiter heißt es: „Jede Spotify Squad ist einer sogenannten Tribe zugeordnet, in denen es wiederum Chapter gibt. Dabei ist das Ordnungskriterium für ein Chapter fachlicher Natur. Z.B. gehören alle Designer innerhalb einer Tribe einem Chapter an. Der Chapter-Lead ist auch gleichzeitig die Führungskraft des jeweiligen Mitarbeiters. (…) Ein Mitarbeiter kann die Squads wechseln, bleibt dabei jedoch der gleichen Führungskraft zugeordnet.“


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Der Sandwich-Manager muss seine Rolle neu definieren

Was das Beispiel sehr schön zeigt: Das Unternehmen setzt sehr wohl auf eine hohe Autonomie, wechselnde Teamzusammensetzungen. Aber eine Art fachliche Leitfigur gibt es auch hier, den Chapter-Lead. Dieser jedoch fungiert nicht als Sprachrohr zwischen Unternehmensebenen. Seine Aufgabe ist eine andere als die des klassischen Mittelmanagers.

Er erfüllt die Rolle eines Moderators. Er eruiert, ob seine Leute reibungslos zusammenarbeiten können:

  • Ist die nötige Technik vorhanden?
  • Sind alle Aufgaben geklärt und verteilt?
  • Kennt jeder seine Rolle?
  • Stimmt das agile Projektmanagement?
  • Haben wir genügend Training?

Er ist auch derjenige, der dafür sorgt, dass die Stimmung im Team nicht kippt. Indem er regelmäßig Feedback einholt und gibt und mit den Kollegen möglichst frühzeitig und offen über Probleme oder Herausforderungen spricht, damit diese gar nicht erst anbrennen.

Seine Aufgabe ist es außerdem, laufende Prozesse mit anderen Team-Hubs so zu koordinieren, dass sie sich nicht überschneiden, sondern perfekt ergänzen. Dann ist die Wahrscheinlichkeit am größten, dass ein gemeinsames Produkt herauskommt, das im besten Fall so gut ist, dass es den Wettbewerb blass aussehen lässt.

Den Spaß an der Arbeit und an der Mitgestaltung fördern

Am Ende des Tages geht es im beim Führen von Teams künftig also verstärkt darum, dass ein moderierender Führungs- oder Coachingstil Kreativität, Innovationen und Prozessverbesserungen initiiert, um Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und Mitarbeitern den Spaß an der Arbeit und Mitgestaltung zu garantieren. Darauf müssen sich besonders Abteilungs- und Teamleiter einstellen.

Wie reformbedürftig das klassische Modell der hierarchischen Führung  ist, zeigt auch die Studie „Führungskultur im Wandel“, von der Initiative „Neue Qualität der Arbeit“. Im Rahmen der Studie wurden Führungskräfte verschiedener Ebenen befragt. Sie favorisierten mehrheitlich sich selbst organisierende Netzwerke und erteilten dem hierarchisch steuernden Management eine Absage.

Reformation der Führungsrolle im mittleren Management  – Mehrwert bieten

Allerdings: Das Ziel ist zwar klar, der Weg dorthin in vielen Unternehmen aber noch nicht. Um diesen auszuloten, brauchen wir einen kritischen Dialog über die Frage „Welchen Mehrwert bietet der Chef heute und morgen?“ Und vor allen Dingen: Wie können Unternehmen ihre Führungskräfte dazu befähigen, agile Teams zu unterstützen und zu empowern?

Um das noch einmal klar zu sagen: Dabei wird es nicht um die komplette Abschaffung des Sandwich-Managers gehen, sondern um die Frage, welche Art der Führung selbständige Mitarbeiter brauchen und wie Führungskräfte diese Selbstständigkeit und Selbstorganisation zulassen, fördern und weiter ausbauen können.

Sich selbstkritisch hinterfragen

Das bedeutet besonders für alle Bereichs- und Abteilungsleiter, sich selbstkritischen (Führungs-)Fragen zu stellen, sich weiterzubilden – persönlich und digital. Es geht auch darum, die ein oder andere Schranke im Kopf einzureißen und neue Handlungsfelder zu eruieren.

War gestern noch die Idee vorherrschend, die eigenen Mitarbeiter vor der Digitalisierung, der agilen Arbeitswelt und der neuen Freiheit beschützen zu müssen, gilt heute: „Ich muss meine Mitarbeiter ermuntern, beherzt mitzumachen und die Zukunft des Unternehmens agil und pragmatisch mitzugestalten.“

Und wer jetzt die Frage stellt: „Aber wie soll das gehen?“ Dem sei empfohlen, sich fortzubilden. Sei es auf den vielen Online-Portalen wie openHPI, der Internet-Bildungsplattform des Potsdamer Hasso-Plattner-Instituts.

Wer hingegen das praktische Üben und Trainieren sowie den persönlichen Austausch mag, dem sie ein direktes IPA- Training oder Coaching im Kreise Gleichgesinnter nahe gelegt. Dieses hilft übrigens auch dabei, den Spaßfaktor am Sich-Selbst-Neu-Erfinden zu erkennen. Denn Veränderungen müssen nicht immer wehtun.