Wie steht es um die Motivation? Sommerinterview mit Stephan Grünewald

Stephan Grünewald ist Diplom Psychologe, Mitbegründer des renommierten Rheingold-Instituts und Bestsellerautor. Der „Psychologe der Nation“, wie ihn die Frankfurter Allgemeine einmal bezeichnete, führt mit seinen Kollegen jedes Jahr mehr als 5000 Tiefeninterviews zu aktuellen Fragen aus Markt, Medien und Gesellschaft durch. Wir haben mit ihm im IPA Magazin über die „Lage der Nation“ gesprochen. Stichwort: Motivation. Wie geht es Arbeitnehmenden und Führungskräften in Deutschland nach zwei Jahren Corona? 

Stimmung der Arbeitnehmer*innen

Hallo Stephan, wie ist es um die Stimmung Arbeitnehmender in Deutschland bestellt: Top oder flop?

Es herrscht allgemein eine eher resignative Stimmung bei vielen Menschen vor. Man hat in den vergangenen Monaten immer wieder nach Lösungen gesucht, aber die nächste Coronawelle spülte alles wieder hinweg, so dass sich viele in einer Enttäuschungs-Prophylaxe befinden: Es macht keinen Sinn, große Pläne zu schmieden. Daher sind die Spontanität und Lebensfreude durchaus gedämpft. Viele Menschen sind antriebs- und lustlos und niedergedrückt. Sie kreisen in Gedanken um sich selbst. Dieser Zustand wurde durch den Krieg noch mal zugespitzt, betrifft aber eher den privaten Bereich als die Arbeit.

Spannend! Das bedeutet ja im Umkehrschluss, dass die Performance in Unternehmen im Moment grundsätzlich akzeptabel ist.

Wie steht es um die Motivation von Führungskräften?

Deren Motivation ist hoch, aber das ist natürlich aus der Not heraus geboren. Viele von ihnen mussten wegen der Pandemie schon vor zwei Jahren ihre Prozesse umstellen und befinden sich jetzt in vielen Bereichen mitten im Change. Da kann man nicht mittendrin nachlassen.

Was beschäftigt Führungskräfte derzeit besonders?

Das Thema Personalführung zum Beispiel. Hier hat sich vieles verändert. Führungskräfte beziehen seit zwei Jahren ihre Autorität nicht mehr über eine disziplinarische Funktion. In der langen Homeoffice-Phase haben Teams gelernt, sich selbst zu disziplinieren. Die Aufgabe von Führungskräften ist jetzt umso stärker, den Unternehmens-Spirit und die Unternehmenskultur zu verkörpern und diese vorleben. Gleichzeitig müssen Sie eine ungeheure Empathie für die Belange ihrer Mitarbeiter entwickeln.
Man bekommt so vieles nicht mehr mit, wenn man nicht mehr ins Büro geht. Dafür müssen Lösungen gefunden werden. Ansonsten driften Teams in psychologisscher Hinsicht voneinander weg.


Führungskräfte beziehen seit zwei Jahren ihre Autorität nicht mehr über eine disziplinarische Funktion. In der langen Homeoffice-Phase haben Teams gelernt, sich selbst zu disziplinieren.


Was planen Führungskräfte zu verändern?

Laut unserer Studie reagieren die Entscheider unterschiedlich auf diese neuen Rahmenbedingungen: Knapp die Hälfte von ihnen will die Mitarbeitenden künftig stärker motivieren und offen mit Vorschlägen umgehen. Immerhin ein Drittel will mehr Verantwortung abgeben, um damit Freiraum für Eigenverantwortung und ergebnisorientiertes Arbeiten zu schaffen.

Bringen Führungskräfte denn überhaupt die dafür nötigen Soft Skills mit?

Da scheiden sich die Geister. Im Büro war es ja nun einmal nicht zu übersehen, wenn es Mitarbeitenden nicht gut ging. Im virtuellen Umfeld kann so etwas viel leichter untergehen. Die Frage, die sich jede Führungskraft heute stellen muss: Wie schaffe ich eine Verbindung und Verbindlichkeiten, wenn die räumliche Nähe nicht mehr gegeben ist?

Ist das auch ein Generationenthema? Haben jüngere Arbeitnehmende ein größeres Bedürfnis gesehen zu werden?

Tatsächlich brauchen Jüngere eine sehr persönliche und vertraute Verbindung zu ihren Vorgesetzten. Die Älteren sagen da eher mal: „Ich bin schon lange im Geschäft – ich weiß, wie der Hase läuft.“ Jüngere brauchen einen Sparringspartner, der Parameter vorgibt, ohne aber das Gefühl von übermäßigem Hierarchiedenken zu vermitteln. Hier helfen klare Rollen und Absprachen.

Was motiviert die Generation Z außerdem besonders?

Das Thema Work Life Balance ist bei den jungen Leuten ganz hoch angesiedelt. Das hängt aber bestimmt nicht damit zusammen, dass diese Menschen faul und träge wären, sondern sie sind stärker als die Generationen vor ihnen von ihrer persönlichen Beziehungsarbeit absorbiert. Flüchteten ältere Generationen früher davor ins Büro, stellen sich jüngere viel stärker dem, was zu Hause passiert. Dafür brauchen sie angemessen viel Zeit. Die Ära, in denen Arbeitnehmende samstags freiwillig ins Büro kamen, um sich aus der Verantwortung herauszunehmen und in Ruhe Zeitung zu lesen, sind eindeutig vorbei.

Vielen Dank Stephan für das tolle Interview. Wer noch mehr zum Thema Motivation erfahren will, lädt sich einfach das IPA Magazin „Motivation“ runter.


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