WIE – Women in E-Commerce – will Frauen aus der digitalen Branche miteinander vernetzen und Raum für Kooperationen schaffen. Wir wollten wissen, was die WIE-Frauen erfolgreich macht und sprachen mit Tijen Onaran, Initiatorin des Netzwerks und Leiterin Kommunikation beim Händlerbund.
Warum sind Sie auf die Idee gekommen, eine neue Initiative für Frauen zu gründen?
Weil es eine Initiative, die die Frauen aus der digitalen Branche miteinander vernetzt und zwar unabhängig davon, ob sie Gründerinnen oder Entscheiderinnen aus Unternehmen sind, in der Form noch nicht gab. Und da ich es bei dieser Feststellung nicht einfach belassen wollte, habe ich es selbst in die Hand genommen und WIE gegründet.
Was macht E-Commerce für Frauen interessant?
Die E-Commerce Branche ist vielseitig und innovativ. Nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer bietet E-Commerce viele Chancen, insbesondere dann, wenn eine gute Geschäftsidee vorliegt. Zu Beginn ist es möglich, mit überschaubarem Aufwand ein Online-Business zu starten und die eigene Idee schnell zu realisieren. Und: E-Commerce ist nicht nur für diejenigen spannend, die ein eigenes Business etablieren möchten, sondern auch für die, die in Unternehmen die Digitalisierung verfolgen. Es ist also eine verbindende und übergreifende Branche, die für ein Netzwerk wie WIE eine spannende Grundlage bietet.
Warum gründen Frauen? Was sind die Hauptmotive, den scheinbar sicheren Angestellten-Job für das Abenteuer „Gründen“ aufzugeben?
Der Dreh- und Angelpunkt beim Gründen ist sicherlich die gute Geschäftsidee – verbunden mit der Leidenschaft für ein Business. Wer gründet, glaubt an den Erfolg der eigenen Idee und hat alle Worst-Case-Szenarien durchgespielt. In dem Moment ist der sichere Angestellten-Job zwar präsent, aber nicht ausschlaggebend. Es geht dann vielmehr darum, ob die Geschäftsidee realisierbar ist und es sich um ein tragfähiges Modell handelt oder doch nur eine Spielerei ist.
Was braucht eine Gründerin, um erfolgreich zu sein?
Wer gründet nur um sich selbst zu verwirklichen wird nicht erfolgreich sein. Der Erfolg liegt in der Entwicklung eines tragfähigen Business und darin seine eigenen Stärken und auch Schwächen realistisch einzuschätzen. Wen ich eher die Strategin bin, brauche ich noch Verstärkung im Bereich Umsetzung und im Operativen. Bin ich eher ein Organisationstalent, braucht es noch einen analytischen und strategischen Kopf. Sprich: die ehrliche Auseinandersetzung mit dem was ich will und was ich kann, ist entscheidend.
Welche 3 Kernkompetenzen sollte eine „Leaderin“ mitbringen?
Durchhaltevermögen, Leidenschaft und eine gute Distanz zu sich und anderen. Gerade wenn es darum geht, die eigene Idee in die Wirklichkeit umzusetzen, ist die Begeisterung vom geplanten Business groß. Doch es gibt Menschen, die diese Begeisterung zwar teilen, aber nicht mit der Leidenschaft, die man selbst an den Tag legt. Hier eine gesunde Distanz zum eigenen Tun und Handeln zu haben und immer auch den Blick der Gegenseite einzunehmen, hilft sicher.
Ist das Arbeitsklima in den von Frauen geführten Unternehmen anders?
Entscheidend ist hier nicht das Geschlecht, sondern die Persönlichkeit und die berufliche Sozialisierung. Wer in einem Konzern gelernt hat, wird anders führen als jemand, der in der Startup-Szene Erfahrungen gesammelt hat. Strukturen prägen den eigenen Führungsstil: sowohl in dem Sinne, dass im eigenen Unternehmen der erlernte Führungsstil weitergeführt wird, als auch dass das Erlebte einem genau zeigt, wie es nicht gehen kann.
Funktioniert hier die Vereinbarkeit von Beruf und Familie besser?
Zum Teil besser, zum Teil aber auch schlechter. Die Nachvollziehbarkeit für die familiäre Situation ist sicherlich da, das heißt aber nicht, dass es automatisch dazu führt, dass weibliche Chefs mehr Verständnis haben. Ich glaube, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Unternehmen funktioniert dann, wenn es bereits eine gewisse Grundstruktur gibt, die Raum für unterschiedliche Arbeitszeitmodelle lässt. Viel hängt auch von der Branche ab, in der ich arbeite. Ist es eine, die sich hauptsächlich im digitalen Raum abspielt, ist das Thema Präsenzkultur sicherlich ein anderes als bei einer Branche, die von der Präsenz der Mitarbeiter lebt.
Gibt es aus Ihrer Sicht so etwas wie einen weiblichen Führungsstil oder einen Stil, der über die Unternehmen hin weg als „common sense“ erkennbar ist?
Auch hier würde ich es nicht aus der Geschlechter-Perspektive sehen, sondern die individuellen Persönlichkeiten betrachten. Der Leadership-Experte Prof. Dr. Thomas Armbrüster plädiert beispielsweise für Professionalität und Integrität von Führungskräften und sagt, dass der Ruf nach Authentizität ein Irrweg ist. Dem würde ich mich anschließen, wenn es darum geht einen guten Führungsstil zu definieren. Das bedeutet nicht, dass man sich ständig verbiegen sollte. Sondern vielmehr, dass gerade im beruflichen Umfeld professionelles Verhalten zielführender ist als sich in beruflichen Situationen ständig selbstverwirklichen zu wollen. Die Gründerinnen, die mir über WIE begegnen, haben diesen „kühlen Kopf“ und sind in ihrem Denken und Handeln professionell und integer.
Wenn Sie einen Tipp geben würden für Frauen, die noch zögern sich selbständig zu machen:
Zögern ist per se nicht schlecht – im Gegenteil, es hilft auch, die Idee noch einmal zu durchdenken. Zu reflektieren, was es noch braucht, damit ich starten kann. Wenn dieser Punkt gekommen ist, direkt in die Umsetzung gehen und sich nicht darüber Gedanken machen, dass es nicht klappt, sondern wie es klappen kann!
Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Netzwerkes? Was steht als nächstes auf der Agenda?
WIE soll wachsen und über verschiedene Formate in unterschiedlichen Städten zur Sichtbarkeit der Frauen aus dem E-Commerce beitragen. Wichtig ist mir, Frauen zu inspirieren und die Geschichten von Frauen zu erzählen! Als konkreter nächster Punkt steht ein Event in Hamburg im Februar 2016 auf der Agenda.