Im Vorfeld des Digital Leadership Summit sprachen wir mit Otto Schell*, einer der profiliertesten Kenner und Experten rund um das Thema Digitale Transformation über die Zukunft von Arbeit, Organisation und Führung.
Otto, Du bist seit vielen Jahren weltweit in Projekten als Business Architect und Head of CCoEs unterwegs und erlebst die digitale Transformation quasi hautnah mit.
Warum verändert die Digitalisierung überhaupt die Art und Weise wie wir in Zukunft zusammenarbeiten?
Der entschiedenste Wandel wird aus meiner Sicht darin liegen, dass wir keine langfristigen oder standardisierten Arbeitsverträge mehr haben werden. Wir werden ausbrechen aus den klassischen Mustern von Auftraggeber und Arbeitnehmern. Stattdessen wird ein „Relevanz-Management“ stattfinden, wonach es darauf ankommt seine Talente oder Skills im Netzwerk zu vermarkten, um dann passend für den Bedarf einsatzfähig zu sein.
Braucht es dann keine Personalabteilung (HR) mehr, die für’s Recruiting zuständig ist?
Ich betrachte HR als Supply Chain, es sollte Transparenz über die Ressourcen herrschen, um Sie schnell und damit auch zu Ihrer Zufriedenheit richtig einsetzen zu können. Also Transparenz versus Abschottung von Talenten.
Neben Technik und den Prozessen verändert sich auch die Arbeitswelt. Was sind aus Deiner Sicht die radikalsten Veränderungen?
Das ganze Thema Human Ressource Management muss sich einem Wandel unterziehen. Wir können nicht auf der einen Seite über Agilität, Geschäftsmodellveränderung oder permanente Verfügbarkeit reden, verhindern aber durch derzeitige Gesetzgebung oder Altlasten wie „Regelarbeitszeit“ oder „Sonntagsarbeitsverbot“ das was IoT ausmacht, nämlich: 24/7.
Was bedeutet das konkret? Schmeißen wir alle Regeln über Board, die bislang die Arbeitswelt aus machen?
Nicht zwangsläufig. Wir brauchen ein Regelwerk (aber ein anderes) das u.a. dafür sorgt, dass keine soziale Ungleichheit entsteht. In Deutschland, sind wir angewiesen auf das Wissen in den Köpfen der Mitarbeitern, andere Reserven haben wir nicht. Also müssen wir diese optimal einsetzen und die Talente bestmöglichst „ausnutzen“ und auslasten, um auf dem Weltmarkt weiterhin eine Rolle zu spielen.
Welche Chancen bieten neue Technologien für den Standort Deutschland?
Technologien wie zum Beispiel der 3D-Druck ermöglichen auch unter den o.g. Voraussetzungen, dass wir Produktion wieder zurück zu holen. Dazu müssen wir in die Diskussion gehen und ggf. auch derzeitige Machtstrukturen ändern und anpassen.
Sind wir alle und auch Führungskräfte mit den neuen Technologien überfordert?
Ja, das glaube ich schon. Viele sind mit der rasanten Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung überfordert und laufen Buzz-Wörtern wie Big Data, Digitalisierung,KI etc. hinterher, ohne sich damit intensiv auseinander zu setzten. Aber ohne das, wird man die gigantischen Veränderungen und Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle nicht begreifen.
Was heißt das für Lernen und Führung?
Derzeit werden wir von Schule über Lehre bis zum Studium statisch auf Abfolgen oder Beweise trainiert, die sich mit real time oder den Medien geradezu selber aushebeln. Natürlich brauchen wir auch in Zukunft „handwerkliches Rüstzeug“ oder akademische Grundlagen. Aber im Zeitalter von Machine Learning und Künstlicher Intelligenz müssen wir vieles neu denken.
Welche Fähigkeiten brauchen Führungskräfte in Zukunft
- Stringenz: Im Umbruch benötigt man Führungskräfte, die eine Vision haben, aber mit Fehlern umgehen können.
- Emotionale Intelligenz: Es wird darauf ankommen, nicht mehr nur zu führen, sondern zu begleiten, um die Vielfalt der Aufgaben zu erledigen
- Balance: Entscheidungen werden aufgrund der Geschwindigkeit zum Drahtseil-Akt
- Verhandlung: Es wird mehr und mehr darauf ankommen, die Stakeholder intern / extern in den Griff zu bekommen, da sich kurzfristige €-Interessen und derzeitige Unternehmensplanung in der IoT Welt trennen
- Abgeben: Neue Kompetenzen können sich nur aufbauen, wenn man sich von Aktivitäten trennt, die das Team im Griff hat
- Scout: Erkennen und Ausreifen von Talenten
Wo stehen wir heute? Arbeiten die Organisationen an entsprechenden Aus- und Weiterbildungen?
Ich denke, dass die Thematik offen diskutiert wird, aber wie immer „typisch Deutsch“ im Sinne von vorsichtig, abgegrenzt, nur keinen rein lassen. Hier müssen wir lernen, offener mit einander umzugehen. Wir werden die Herausforderungen und Investitionen nur gemeinsam stemmen können.
Otto wir danken Dir für das Gespräch und freuen uns auf weiteren Austausch am 21.6.2017 beim dls#2 in Köln.
TIPP
Sie wollen noch mit dabei sein und von weiteren Innvovationsführern hören, wie die Zukunft der Arbeit gestaltet werden muss: Tickets für den Digital Leadership Summit gibt es hier:
*Zur Person:
Otto Schell ist seit 2008 Mitglied des Vorstandes der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe e.V. (DSAG). Er verantwortet das Ressort IoT/Business Transformation – Geschäftsmodelle sowie Globalisierungsthemen. Innerhalb von General Motors ist er als Global SAP Business Architect and Head of SAP CCoE für die Ausrichtung der SAP Business Process Platform im Hinblick auf die digitalen Anforderungen des Unternehmens zuständig. Beim Diplomatic Council (UNO reg.) hat er kürzlich das D.C. Otto Schell Institute for Digital Transformation eröffnet und ist Chairman International Relations. Otto Schell ist ebenfalls Lehrbeauftragter am Management Center Innsbruck und als Digital Transformation Advisor in der PDAgroup eingebunden.