New Work auf Irrwegen- eine Polemik gegen realitätsferne Visionen
Zum Einstieg eine Bestandsaufnahme:
Die Presse, einschlägige Blogs, Initiativen und Foren sind voll mit Berichten über Arbeit 4.0, Virtual Reality, Recruiting 4.0, Employer Branding, Feel Good Manager und neuerdings dem Modell holokratisch geführter Unternehmen . Glaubt man diesen Botschaften sind wir bald schon auf Wolke 7 der Arbeitswelt angekommen, es braucht scheinbar nur noch ein paar Klicks und fertig ist die schöne neue digitale Arbeitswelt.
Immer mehr Unbehagen verspüre ich dabei und wenn sich mal wieder Politiker, Kolumnisten, Marketeers und Anbieter technischer Lösungen zu Architekten eben dieser modernen Arbeitswelt aufschwingen. Oft genug münden die Beiträge in wohlgemeinte, aber leider unpräzise Ratschläge die Megatrends umzusetzen (ja welche denn bitte genau?) und die digitale Transformation aktiv zu gestalten.
Was habe ich dagegen?
Nichts. Aber ehrlich gesagt, hilft das alles nicht den Wertschöpfungsprozess in den Unternehmen zu verbessern, Wachstum zu generieren und Management & Mitarbeiter mit auf die Reise der Veränderung zu nehmen.
Fünf Forderungen für echtes New Work
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Es ist (fast) alles gesagt, die Szenarien sind gemalt, die Megatrends bekannt. Jetzt ist es Zeit für die UMSETZUNG und WEITERENTWICKLUNG neuer Arbeitsformen.
Visionen sind wichtig und gut! Groß denken ist die Voraussetzung für das Detail. Aber Transformation und Change leben nicht von Paperwork. Gefragt sind jetzt mutige Unternehmenslenker, experimentierfreudige Entscheider, Mittelständler, die sich in die Debatte einmischen und genug davon haben, sich als Innovationsverweigerer bezeichnen zu lassen. Immerhin haben wir eine Menge„Hidden Champions“ in Deutschland, die bereits umsetzen, worüber andere noch reden.
Wir sollten hier aktiv zuhören lernen.
2. Unternehmen weiterentwickeln ist kein Kinderspiel – Profis statt Polemiker gefragt
Unternehmen gründen, aufbauen, weiterentwickeln und Wachstum generieren lernt man nicht im Barcamp. So wertvoll die Diskussionen von den „ach so Betroffenen“ auch sind, ein bisschen mehr Expertise von kompetenten Arbeitswissenschaftlern und -psychologen, erfahrenen Organisationsentwicklern und Change Experten würde der konkreten UMSETZUNG von Konzepten helfen. Change Architekturen aufsetzen, Change Agenten und Multiplikatoren identifizieren, Beteiligungsstrategien implementieren, Interessenskonflikte auflösen und für Weiterbildung sorgen, das sind die Aufgaben an der Unternehmerfront.
3. Insellösungen von Agenturen und Konzern Hubs auf der grünen Wiese dienen nicht als Blaupause – individuelle Organisationsentwicklung notwendig
Ja, natürlich braucht es Modellprojekte, Best Practices und Beispiele zu denen wir aufschauen können. Aber mal ehrlich: Ist denn jede Idee, die im Ökokosmos von Agenturen mit 10- 20 Mitarbeitern und ausgegliederten Konzern-abteilungen, die man dann sogleich als „Hub“ bezeichnet, des Rätsels Lösung?
Nein. Jedes Unternehmen ist mit einer eigenen DNA, Kultur, Historie und eigenen Persönlichkeiten unterwegs. Hier helfen keine 0815 Tipps, sondern pragmatische, ganzheitliche Ansätze, um die spezifische Organisation, Führung und Kultur weiter zu entwickeln. Die Hülse „New Work“ muss so gefüllt werden, dass Inhaber und Entscheider pragmatische Lösungen für ihre Probleme erhalten.
4. Nach Recruiting 4.0 kommt nur noch Frust – Zeit für professionelles Onboarding und People Management
Gefühlt entsteht jeden Tag eine neue Plattform mit der man das beste Talent, den Top Performer, den Idealkandidaten finden kann. Es wird von der Candidate Experience geschwärmt und banales festgestellt ( „warten lassen eines Kandidaten beim Vorstellungsgespräch ist nicht gut“). Es werden ganze Teams bemüht den richtigen Kandidaten einzustellen, Probetage absolviert und natürlich ein Arbeitsvertrag mit Home Office Versprechen ausgefüllt.
Aber dann? Kaum ist der Kandidat da, stellt er fest, dass zwar alle wahnsinnig nett sind, aber keiner Zeit für ihn hat. Einarbeitung, auch neudeutsch Onboarding genannt Fehlanzeige. Systematisches Durchlaufen anderer Fach-abteilungen zwecks Denken über den Tellerrand , Gespräche mit dem Management über Unternehmensstrategie und Fragen zu seinen Erfahrungen aus der „alten“ Firma, um neue Ideen aufzugreifen – keine Zeit, zu teuer, nicht dran gedacht… eben operative Hektik.
Die klassische Personalentwicklung mit Einarbeitungsplänen, Mitarbeitergesprächen, Feedback vor Ablauf der Probezeit und ein individueller Lern- und Entwicklungsplan würde da schon mal weiterhelfen. Wenn es sein muss auch einfach in Version 1.0 – auf Papier aber dafür mit Umsetzungsgarantie.
5. Führung: alle wissen wie es geht, „aber mein Chef ist doof“ – mehr Wertschätzung und Ehrlichkeit im Dialog
Ein Buch zu Führung 4.0 gekauft, gelesen, verstanden und umgesetzt- so klappt es mit guter Führung? Leider nicht und leider ist gute Führung, selbst bei besten Absichten nicht ganz so einfach. Sicher können viele ein Lied von schlechter Führung singen, es in Medien und Öffentlichkeit beklagen, aber es selber wirklich besser machen, ist eine andere Sache.
Die Anforderungen an Digital Leader sind heute hoch: sie müssen Gestalter einer Kultur werden, die Arbeiten und Leben nicht als Widerspruch versteht. Sie sollen auf Hierarchie und Kontrolle verzichten und auf Vertrauen, Transparenz und Partizipation setzen. Sie sollen coachen, Mitarbeiter begeistern und ganz nebenbei müssen die Zahlen auch noch stimmen. Mit Spaß zur zweistelligen Rendite – ein manchmal aberwitziges Unterfangen. Es liegt auf der Hand, ein Spagat, der schwer ist und viel Training, Feedback, Frust und „steh auf Mentalität“ von denen verlangt, die sich das Abenteuer Führung “antun“.
Statt überzogene Erwartungen an den modernen Führungshero zu stellen, plädiere ich für mehr Wertschätzung und echten Dialog. Sich zumuten über Fehler zu reden und gemeinsam neue Lösungen in Sachen Führung zu suchen, könnte durch kollegiale Beratung funktionieren.
Ausblick – echtes Digital People Management gefragt
Ich wünsche mir in der Diskussion (noch) mehr betriebliche Praktiker, die den Mensch in den Mittelpunkt der modernen, digitalen Arbeitswelt stellen und umfassende und ganzheitliche Umsetzungskonzepte auf die Strasse bringen.
P.S. Für alle, die sich mehr Beispiele von der Unternehmensfront wünschen, hier gibt es Lesestoff.
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