Nudging im Coaching: Manipulieren Sie schon oder vertrauen Sie noch?
Nudging ist ein Trend aus dem Marketing, der auch in das Personalmanagement einzieht. Es verspricht schnelle Lösungen für komplexe Führungssituationen. Ein paar kleine Stupser, so genannte Nudges, hier. Ein paar kleine Stupser dort und schon machen Mitarbeiter, was sie sollen. Aber kann das funktionieren?
Coachen mit Nudges? No way!
Über Kundenanrufe freue ich mich immer. Umso mehr, wenn es um eine konkrete Anfrage für ein Coaching geht – mein Steckenpferd. Doch es gibt auch die Sorte von Telefonaten, die mich aufhorchen lassen. Im konkreten Fall rief der Geschäftsführer eines schnell wachsenden Digitalunternehmens an.
Es ging um Ben, der als Teamleader in letzter Zeit immer öfter mit einem Kollegen aneinandergeriet. Sehr zur Irritation des ganzen Teams. Es habe in der letzten Zeit zunehmend lautstarke Auseinandersetzungen gegeben, erzählt mir der Anrufer. Er fände Ben eigentlich ziemlich gut. Aber jetzt müsse er auf Spur gebracht werden. Und er wüsste auch schon wie.
Die Methode der Wahl: Nudging. Ben, die Führungskraft, sollte mit ein paar Schubsern in die richtige Richtung gelenkt werden. Der Anrufer kannte das Prinzip des Nudgings bereits von den Kollegen aus dem Marketing. Sie hätten damit „wahnsinnige Erfolge“ gefeiert, versicherte er mir. Der Mann war kaum zu bremsen. Als Unterstützung könne er mir gerne eine Liste mit Nudges für den Kollegen zusammenstellen.
Coaching ist kein Marketing
Machen wir es kurz: Meine Antwort lautete „Nein“. Denn Coaching ist kein Marketing und Nudging eignet sich nicht für das Coaching. In der Werbung mag es funktionieren, in der Entwicklung von Personal nicht. Die zugrundeliegende Idee des Nudgings ist es, Personen durch kleine Stupser, sogenannte Nudges, zu einer Verhaltensänderung zu bewegen (Thaler & Sunstein 2009).
Dazu wird eine Entscheidungssituation so gestaltet, dass sich der Betroffene kaum anders entscheiden kann, als es von ihm gewünscht wird. Das allerdings ohne Zwang oder Befehl. Wir alle kennen das aus unserem Alltag. Wenn in einem Supermarktregal zum Beispiel die teuren Produkte auf Griffhöhe stehen, ist das Nudging.
Denn Konsumenten greifen eher zu den Artikeln auf Augenhöhe, weil es bequemer für sie ist. Es zwingt sie aber niemand dazu – sie könnten sich auch für die günstigere Variante entscheiden. Allerdings müssten sie sich dafür bücken. Und das ist für die meisten von uns ein zu großer Aufwand. Stattdessen geben wir lieber ein paar Cent mehr aus.
Beispiele: So funktioniert Nudging
Ein anderes Beispiel: Britische Steuerbehörden fügten ihren alljährlichen Steuerbescheiden einen Hinweis bei, dass die meisten Menschen ihre Steuern pünktlich zahlen. Drei Monate später hatten 83 Prozent der Empfänger ihre Steuern gezahlt. Auch das ist Nudging.
Der neueste Trend: Nudging auf Veränderungsprozesse in Organisationen anzuwenden. Geht das? Ganz zu verneinen ist das nicht. Das Prinzip kann etwa helfen, die Meeting-Kultur zu optimieren. Reduzieren Sie doch einmal versuchsweise die Standarddauer für Meeting-Einladungen von 60 auf 40 Minuten. Sie werden sehen: Ihr Team wird sich kürzer fassen.
Nudging: Warum es im Coaching an seine Grenzen stößt
An seine Grenzen stößt Nudging aber definitiv im Business Coaching. Denn hierbei handelt sich um diametral entgegengesetzte Ansätze. Warum? Nudging ist nicht ergebnisoffen: Das Verhalten, zu dem die Zielgruppe angeleitet werden soll, ist bereits gesetzt.
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So verstehen Coaches ihr Handwerk aber nicht. Im Gegenteil. Man begegnet sich auf Augenhöhe, analysiert die bestehende Situation und hilft dem Coachee herauszufinden, warum er immer wieder in eine Konfliktsituation gerät und wie sein Beitrag zu einer besseren Lösung aussehen kann. Der Coach fungiert also nicht als Ansager, Vorgebender oder Besserwisser, sondern als derjenige, der hilft, die eigenen Verhaltensweisen zu reflektieren, analysieren und selbstständig neue Perspektiven zu entwickeln.
Vertrauensvoller und unbefangener Umgang
Das setzt einen absolut vertrauensvollen und unbefangenen Umgang miteinander voraus. Und dieser kommt kaum zustande, wenn der Coach den gemeinsamen geschützten Raum bereits mit einer vorgefertigten Meinung und einen klar definierten Handlungsauftrag betritt. Das ist kein Coaching. Das ist Manipulation.
Coaching zielt darauf ab, dass der Coachee selbst den richtigen Weg findet. Auf dem Weg zum Ziel verzichtet der Coach auf jedwede subtile psychologische Beeinflussung, wie es beim Nudging der Fall ist. Der Coach appelliert weder direkt noch indirekt, dies oder jenes zu tun oder nicht. Seine Aufgabe ist es, die Wahrnehmung des Gecoachten für bestehende Situationen zu stärken und mit ihm gemeinsam Handlungsoptionen zu erarbeiten. Das schafft nachhaltige Lösungen.
Fazit: Warum Nudging im Coaching keine gute Idee ist
Mein Fazit: Es gibt sicher viele Bereiche, in denen sich mit kleinen Schubsern das Verhalten von anderen sanft beeinflussen lässt – und das nicht unbedingt zu ihrem Nachteil. Beim Nudging in der Kantine würden etwa die Salate weiter nach vorne und die Haxe nach hinten geschoben. Jeder hätte noch die freie Wahl, doch der Anstoß ginge in Richtung gesunde Ernährung.
Im Coaching ist Nudging hingegen keine gute Idee, weil hier weder der Coach noch der Coachee die Richtung kennen, in die sich das Coaching entwickelt. Es zielt auf individuelle Lösungen ab, hinter denen der Coachee voll und ganz stehen kann, weil sie auf den eigenen Einsichten beruhen. Und jeder Versuch, diese vorzugeben, ist kein Coaching mehr, sondern eine verkappte Form des Top-Down Prinzips: Vorgabe und Kontrolle. Und diese Zeiten haben wir doch wirklich hinter uns gelassen…
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